Funktionieren und Nicht-Funktionieren des Apparats in Franz Kafkas "In der Strafkolonie" - Analyse der Bedeutung und Auswirkung des Einsatzes eines technischen Folterinstruments

Front Cover
GRIN Verlag, 2007 - Language Arts & Disciplines - 60 pages
Zwischenprüfungsarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 2,0, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 24 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Erzählung In der Strafkolonie von Franz Kafka. Untersucht werden soll die Frage nach Funktionieren und Nicht-Funktionieren des Folterapparats, der den zentralen Teil der Erzählung darstellt. Es wird versucht, Bedeutung und Auswirkung des Einsatzes dieses Folterapparats zu erarbeiten. Die Arbeit wird hermeneutisch untersucht. Der Folterapparat symbolisiert den inhumanen Umgang zwischen herrschender Obrigkeit und Strafgefangenen in einer Strafkolonie. Ein besonderer Fokus wird dabei auf die Funktionsweise des Apparates, aber auch auf dessen technische Unzulänglichkeiten gelegt. Darüber hinaus geht die Arbeit in einem erweiterten Kontext auf Defekte bei Medien und Sprache bzw. Kommunikation ein. Außerdem soll die Frage erörtert werden, welches Ausmaß und welche Auswirkungen Funktion und Defekt in diesen verschiedenen Bereichen haben. Auf Grundlage und durch kritische Verwendung der Forschungsliteratur wird der Versuch unternommen, diese Auswirkungen und Bedeutung von Funktion und Defekt zu analysieren und herauszustellen. Zentrale Beachtung soll dabei das Thema Schrift als Foltermethode erhalten, schließlich ist die Eigenschaft des Folterinstruments, nämlich die Folter durch Schrift, zentraler Aspekt, der die gesamte Erzählung begleitet. Als Einstieg in die Thematik der Körperbeschriftung dient ein historischer Exkurs, der sich mit der kulturellen Herkunft der Körperbeschriftung, dem Tätowieren, befasst. Auch die besonderen Eigenschaften der historisch real existierenden Strafkolonien finden in einem weiteren Abschnitt Beachtung. Die Strafkolonie ist Ort der Folter und einer selbst gewählten Gerechtigkeit, der zunächst die Gefangenen und schließlich seine Erbauer zum Opfer fallen. Auch diese Umkehrung und ihre Bedeutung werden betrachtet. Diese Arbeit soll versuchen, die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Schrift und Folter, aber auch zwischen Funktion und Defekt von Sprache, Medien und Schrift im Besonderen beantworten. Letzen Endes hat die Arbeit den Anspruch, das Bild von Macht durch Folter bzw. von Ohnmacht durch Defekt des Folterapparats nachzuzeichnen, was sich schließlich auch in Defekt anderer Medien und sprachlicher Kommunikation ausdrückt.

From inside the book

Other editions - View all

Common terms and phrases

Popular passages

Page 10 - Unser Urteil klingt nicht streng. Dem Verurteilten wird das Gebot, das er übertreten hat, mit der Egge auf den Leib geschrieben.
Page 8 - Es darf natürlich keine einfache Schrift sein; sie soll ja nicht sofort töten, sondern durchschnittlich erst in einem Zeitraum von zwölf Stunden; für die sechste Stunde ist der Wendepunkt berechnet. Es müssen also viele, viele Zieraten die eigentliche Schrift umgeben; die wirkliche Schrift umzieht den Leib nur in einem schmalen Gürtel; der übrige Körper ist für Verzierungen bestimmt.
Page 23 - Drucke zu Lebzeiten, hg. von Wolf Kittler, Hans-Gerd Koch und Gerhard Neumann, Frankfurt aM 1994, S.
Page 9 - So schreibt sie immer tiefer die zwölf Stunden lang. Die ersten sechs Stunden lebt der Verurteilte fast wie früher, er leidet nur Schmerzen.
Page 10 - Er beugte sich freundlich zu dem Reisenden vor, bereit zu den umfassendsten Erklärungen. Der Reisende sah mit gerunzelter Stirn die Egge an. Die Mitteilungen über das Gerichtsverfahren hatten ihn nicht befriedigt. Immerhin mußte er sich sagen, daß es sich hier um eine Strafkolonie handelte, daß hier besondere Maßregeln notwendig waren und daß man bis zum letzten militärisch vorgehen mußte. Außerdem aber setzte er einige...
Page 17 - ... Nein', sagte der Offizier und wollte gleich in seinen Erklärungen fortfahren, aber der Reisende unterbrach ihn: 'Er kennt sein eigenes Urteil nicht?' 'Nein', sagte der Offizier wieder, stockte dann einen Augenblick, als verlange er vom Reisenden eine nähere Begründung seiner Frage, und sagte dann: 'Es wäre nutzlos, es ihm zu verkünden. Er erfährt es ja auf seinem Leib'.
Page 17 - Die Egge?» fragte der Reisende. Er hatte nicht ganz aufmerksam zugehört, die Sonne verfing sich allzustark in dem schattenlosen Tal, man konnte schwer seine Gedanken sammeln. Um so bewundernswerter erschien ihm der Offizier, der im engen, parademäßigen, mit Epauletten beschwerten, mit Schnüren behängten Waffenrock so eifrig seine Sache erklärte und außerdem, während er sprach, mit einem Schraubendreher noch hier und da an einer Schraube sich zu schaffen machte.
Page 12 - Hat er denn alles in sich vereinigt? War er Soldat, Richter, Konstrukteur, Chemiker, Zeichner?« »Jawohl«, sagte der Offizier kopfnickend, mit starrem, nachdenklichem Blick. Dann sah er prüfend seine Hände an; sie schienen ihm nicht rein genug, um die Zeichnungen anzufassen; er ging daher zum Kübel und wusch sie nochmals. Dann zog er eine kleine Ledermappe hervor und sagte: »Unser Urteil...
Page 9 - Es geschieht ja weiter nichts, der Mann fängt bloß an, die Schrift zu entziffern, er spitzt den Mund, als horche er. Sie haben gesehen, es ist nicht leicht, die Schrift mit den Augen zu entziffern; unser Mann entziffert sie aber mit seinen Wunden. Es ist allerdings viel Arbeit; er braucht sechs Stunden zu ihrer Vollendung. Dann aber spießt ihn die Egge vollständig auf und wirft ihn in die Grube, wo er auf das Blutwasser und die Watte niederklatscht. Dann ist das Gericht zu Ende, und wir, ich...

Bibliographic information