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Schach bei den Juden. || Ein Beitrag zur Cultur- und Litteratur- || Geschichte || von || Dr. Moritz Steinschneider. || Sonderabdruck in 50 Exemplaren || aus der || Geschichte und Bibliografie des Schachspiels || von | Dr. Antonius v. d. Linde. || Berlin: || Julius Springer. || 1873. || (Nicht im Handel.) Svo. 50 Seiten.

IX.

Das Problemschach des Mittelalters.

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1. Arabisches Schach.

Waren wir früher mit den litterarischen Nachweisungen schon auf historischem Boden angelangt, so steht jetzt das arabische Schach für das zehnte Jahrhundert geschichtlich unzweifelhaft fest. Die grosse Pariser Handschrift 1005 enthält eine Schachstelle. Sie wurde schon 1865 von Herrn Professor Dieterici, der den arabischen Codex in sechs Bänden bearbeitet hat, angedeutet; vgl.: Die Propaedeutik der Araber im zehnten Jahrhundert von Dr. Friedrich Dieterici, Professor an der Universität zu Berlin. Mit einer Karte und zwei Schrifttafeln. Berlin, 1865. Druck und Verlag von E. S. Mittler und Sohn (Koch-Strasse 69.) 8vo. Das um 975 A. D. entstandene Werk enthält eine Darstellung der propädeutischen Studien bei den Arabern, im X. Jahrhundert das gebildetste Volk der Welt“, und mehr eigentlich eine Uebersetzung der Abhandlungen über Arithmetik, Geometrie, Astronomie. (Astrologie), Geografie, Musik und die Relation, welche von dem FilosofenOrden der Lautern Brüder speciell als die propädeutischen Studien (arrijadhijjat) bezeichnet sind. In der Abhandlung über Geometrie, im Paragraf über die geometrischen Figuren, ihre Unterarten mit besondern Eigenthümlichkeiten, wie wir solche auch schon bei den Zahlen hervorhoben" wird (S. 43) gesagt: „Schreibt man neun Zahlen in dieser neunfach geformten Gestalt, so kommt, wie man auch immer zähle, die Summe 15 heraus. . . Dasselbe gilt von 64, in einer Figur mit 64 Fächern, wie man auch immer zähle, die Summe ergiebt stets 4 3 8 260 (S. 44). Ebenso verhält es sich mit 81; so in einer Figur mit 81 Fächern niedergelegt, wie man auch immer zähle, die Summe ist 369. „Es folgt" bemerkt hier der Uebersetzer die Beschreibung von Schachzügen, die bei leer gelassenem Schema unverständlich sind." Herr Dieterici hatte nun aber die Güte, mir die Stelle nach seiner eigenhändigen Abschrift des Pariser Manuscripts mitzutheilen, und ich lasse sie, in der Hoffnung, dass das fehlende arithmetische Schema noch einmal aufgefunden werde, im Original hier folgen.

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7 6

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التي هيثم

کتهی

سير

فان من خاصيته انه كيف ما عد كانت الجملة ثلثمائة وتسعة وستين وفي الاساس بالواسطة السفلى لاى حساب كان ثم يمشى على (عن) الخظرف فيقع العدد ما يتلو الواسطة على النظم (كثم) صاعدا الزاوية العليا التي عن كتمى ثم يمشى سير المك التي بيت الطبيعي في الزاوية العليا التي عن واسطة للزاويتين على كرايوى ثم يصعد صعود البيدق الى هي التي الفرس يسارك فالحساب على النظم الطبيعي ثم منها يسير سير الفرزان الزاوية العليا من على النظم الطبيعي الى أن يبلغ الزاوية السفلى على عينك أثنين على بعد دین البيدق بالعدد التى يتلو العدد الواقع فى الزاوية على النظم دفع ثم يدفع بيت الفس التي هي الزاوية السفلى عن يسارك على النظم ثم تدفع سير الفرس على النظم الطبيعي الى بيت الفرس الذي هو واسطة العليا ومن خاصيتها أن الزوايا كلها أزواج والاوساط كلها افراد والسير

الطبيعي

الطبيعي

الى

سير

الفرزان مرتين ثم البيدق ثم الفرس ثم الفرس ثم

سير

سير

سير البيدق مرة ثم الفرس مرة أخرى ثم سير الفرس الى الواسطة العليا

فيه سير

Obgleich es leider nicht möglich ist, eine zusammenhängende Uebersetzung zu geben, so steht es doch fest, dass vom Schach die Rede ist: der arabische Verfasser beschreibt mittelst Schachzüge die Reihenfolge der Zahlen seines Formulars. Er nennt das Haus des Pferdes“, „den Lauf des Fussgängers“, den „Gang des Vesiers", den „Gang des Pferdes". Eine Eigenthümlichkeit der so construirten Zahlenfigur nennt er, dass alle Ecken gradzahlig, und alle Mitten ungradzahlig sind, und beschliesst dann: Der Lauf darin ist der des Pferdes, dann der des Fussgängers, dann der des Vesiers zweimal, dann der des Fussgängers einmal, dann der des Pferdes noch einmal, dann der des Pferdes bis zur hohen Mitte. Den Nutzen davon erwähnten wir im Capitel über die Talismane." Ein derartiges Zifferspiel, aber auf einem Brette von 64 Feldern, theilt auch Hyde 1694, Proll. Bl. (e) verso aus arabischen Quellen mit, aus dem zugleich hervorgeht, dass wir es auf jeden Fall in diesen Rechenexempeln mit dem eigentlichen Rösselsprung, d. h. mit der Aufgabe, um das Ross über alle Felder des Schachbretts springen zu lassen, ohne ein einziges Feld zwei Mal zu berühren, noch gar nicht zu thun haben. Forbes' Behauptung (S. 147 Anm.), dass die Orientalen die moderne Bearbeitung des Rösselsprunges „anticipated by some thousand (!) years ist eine Thorheit.

Konnte man also schon im zehnten Jahrhundert zur Beleuchtung arithmetischer Vorgänge sich auf die Züge im Schachspiel als auf etwas allgemein Bekanntes beziehen, so gehört die Annahme, dass die Araber im neunten, vielleicht schon im achten Jahrhundert Schach gespielt haben, nicht mehr zu den ungeschichtlichen Sagen.

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Wir wissen, dass sämmtliche Figuren des arabischen Schatrendsch wie im indischen Tschaturanga gezogen wurden, und der hinzugekommene Vesier Fers blos in's nächste Feld seines jemaligen Standortes und zwar in diagonaler Richtung gehen durfte. Der bis in's achte Feld gelangte Fussgänger wurde immer ein Fers. Der Elefant, al-fil Alfil, machte denselben Zug um ein Feld weiter; das zwischenliegende Feld durfte dabei von einer Figur besetzt sein.

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Die Natur dieses ältesten Zweischach schloss die theoretische Behandlung der Partie, im eigentlichen Sinne des Wortes, gänzlich aus, und wurde

diese überhaupt erst nach Vollendung der allmähligen Reform des Schachspiels im XVI. Jahrhundert möglich. Man kann sich von der überaus langsamen Entwickelung der alten Partie leicht selbst überzeugen. Die arabischen Tabiyat, Schlachtordnungen am Anfang der Partie, das in den arabischen Schachmeistern gerühmte schnelle Ziehen, das Bedürfniss zu einer gewissen Schlussstellung, d. h. zum Problem zu gelangen, gingen sämmtlich mit Nothwendigkeit aus dem Schatrendsch hervor. Ebenso nothwendig musste man auf die directe Mattführung, als die ausschliesslich siegreiche Beendigung der Partie, verzichten, denn das eigentliche Matt bildete unter geübten Spielern wahrscheinlich die Ausnahme. Darum galt nicht blos das Matt, sondern auch das Patt und der vereinzelte König (roi dépouillé) für verloren. Die unentschiedenen Spiele, die Remisstellungen, müssen aber trotzdem noch sehr zahlreich gewesen sein.

Um womöglich die Geschichte des Schach im Mittelalter endgültig aufzuklären, habe ich aus der vollständigsten alten Schachlitteratur, die je in einer Hand vereint war, der Schachtradition einiger Jahrhunderte nachgespürt. Als Frucht dieser Forschung lege ich den Freunden menschlicher Cultur zunächst eine Auswahl von 372 Aufgaben, welche hauptsächlich die Schachspieler aus der Periode 1000-1600 unserer Era beschäftigt haben, vor. Für die Culturgeschichte haben sie denselben historischen Werth, den z. B. die verrenkten Heiligen der Kirche für die Geschichte der Malerei besitzen. Auch diese werden nicht wegen ihrer hübschen Zeichnung, oder wegen ihres inneren Kunstwerthes, sondern als historische Urkunden so theuer bezahlt. Ebenso wenig ist der innere Werth für die Publication der alten Probleme entscheidend; sondern hier wie dort ist das historische Motiv entscheidend: so malte man damals, und so spielte man damals Schach; so fand die Kunst ihren Weg von den hölzernen Formen eines zunftmässigen Miniaturzeichners bis nach Rafaels und Rembrandts vollendeter Meisterschaft; und so war auch der Weg von der mechanischen Zusammensetzung alter Kunststückchen mit Schachfiguren, bis auf die Kunstwerke eines Loyd oder eines Conrad Bayer ein langer und mühsamer. Nur der geschichtliche Sinn also ist im Stande, diese Arbeit zu würdigen. Sollten sich übrigens in der Menge der zu diesem Studium erforderlichen Tabellen, deren Entwurf mich empfindlich gequält hat, Schreibfehler in den Ziffern oder andere kleinere Unrichtigkeiten eingeschlichen haben, so wird man dies bei einer Vergleichung von weit über zwei Tausend Schachproblemen leicht entschuldbar finden! Zugleich aber schliesse man aus meiner captatio benevolentiæ nur nicht, dass ich Mühe oder Kosten gescheut habe, die Arbeit so correct wie möglich herzustellen. Die Abbreviaturen der (den Problemen unmittelbar folgenden) Lösungen König, F Fers, A Alfil, S = Springer, R = Roch, setzen, mit Ausnahme des modernen Springers der auch jetzt noch Ross oder Pferd genannt werden sollte, die allgemeinste Terminologie des Mittelalters voraus. Der Fers und der Alfil gehören ausschliesslich dem alten Schach, das neue Schach kennt sie nicht; der Roch kommt allerdings unter dem Namen des Thurmes auch im neuen Schach vor, ich wollte aber den modernen Charakter dieses unsinnigen marschirenden Thurmes", der von aussen her in das neue Schach eingedrungen ist, durch Beibehaltung des echten mittelalterlichen Wortes hervorheben. Noch erwünschter wäre es, in den Diagrammen alter Probleme den Fers durch einen Turban mit einem Busch, den Alfil durch eine gabelförmige Figur und den Roch durch die bekannte Gestalt der Manuscripte andeuten zu können.

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1) Pers. MS. des Brit. Mus. Bl. 2b. 2) Pers. MS. der As. Soc. Bl. 10a. 3) Arab. MS. Bl. 73b= Pers. MS. des Brit. Mus. Bl. 44b. 4) Pers. MS. des Brit. Mus. Bl. 43b. 5) Pers. MS. des Brit. Mus. Bl. 41a. 6) Arab. MS. Bl. 61b.

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1) Arab. MS. Bl. 59a. 2) Arab. MS. 15b; vgl. Bl. 24b, Bl. 25b

Bl. 89b. 3) Arab. MS.

Bl. 60b. 4) Arab. MS. Bl. 18b. 5) Arab. MS. Bl. 47b Pers. MS. der As. Soc. Bl. 3b. b) Arab. MS. Bl. 26b und Bl. 27a Pers. MS. des Brit. Mus. 41b.

Matt in 3 Zügen 2).

10.

8.

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